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Im Weihnachtsurlaub 2005 besuchten wir wieder die Insel Lamu vor der Nordostküste Kenias. Das gleichnamige Archipel ist bekannt für seine hohe Biodiversität, besonders unter Wasser. Der WWF deklariert diese Küstenregion als einen Biodiversity Hotspot. Doch auch auf dem Land ist die Artenvielfalt der Region unübersehbar. Die Lamu gegenüberliegende Insel Manda ist ausserdem bei Ornithologen für ihren Vogelreichtum bekannt.
Kurz bevor wir Europa verliessen, bekam ich per Internet einen Artikel von der Canid Specialist Group, in dem von Sichtungen Afrikanischer Wildhunde (Lycaon pictus) in der Lamu-Küstenregion berichtet wurde. Da es sich um die Grenzregion zu Somalia handelt, war von dort bisher aufgrund der schlechten Sicherheitslage wenig Information zu bekommen. Nachdem sich diese in den letzten 2 Jahren verbessert hat, konnten jetzt Nachforschungen angestellt werden. Die Autoren, McCreery & Robbins, konnten 21 Sichtungen der bedrohten Wildcaniden zusammentragen, davon allein 5 im Lamu- Bezirk zwischen 2000- 2004. Sie erwähnten ebenfalls eine Sichtung der Hunde auf der Insel Manda, allerdings aus dem Jahr 1997. Das überraschte mich keineswegs, ich hatte schon von meinem ersten Besuch die Insel als gutes Wildhundland in Erinnerung: Sie ist schwach besiedelt, da es kein Süsswasser mehr gibt, hat keine Straßen, typisches Buschland mit Schirmakazien und viel Deckung für Wild. Außerdem wusste ich, dass der schmale Kanal zwischen dem Festland und der Insel bei Ebbe sehr flach ist, was vielen Wildtieren die Passage erlaubt. Gelegentlich wird sogar von Elefanten auf Manda berichtet. Das machte mich neugierig und ich packte zu meinem Notizbuch einige Bilder von meinen Afrikanischen Wildhunden aus dem Zoo.
Kurz nachdem wir auf Lamu angekommen waren, nahmen wir eines der typischen Segelboote, eine Dhow welche uns nach Manda brachte. Zwischen dem 20. und 29. Dezember 2004 sprachen wir auf Manda mit den Einheimischen. Die meisten Leute leben in der Nähe des Lamu-Kanals, da sie von dort ihr Trinkwasser bekommen. Ich zeigte meine Wildhund - Bilder, und die einige riefen aufgeregt “mbwa-mwitu”, das Swahili- Wort für den Afrikanischen Wildhund. Erstaunlich viele der Befragten hatten im vergangenen Jahren die Hunde gesehen. (Wir benutzten den Schiffskapitän als Übersetzer, sofern die Einheimischen kein Englisch sprachen.) In der kurzen Zeit konnte ich 4 verlässliche Schilderungen von Sichtungen des Afrikanischen Wildhunds auf Manda im Jahr 2004 zusammentragen. Das war mehr als ich erwartet hatte! Im Einzelnen waren das: Ein junger Mann, der in der Nähe des Nationaldenkmals der Takwa Ruinen lebt, sah ein Rudel von 7 Tieren im Juni 2004. Sie ruhten im Schatten eines Busches in der Nähe von Ras Kitau, nah beim Strand. Der Mann hatte Angst und lief weg. Ein anderer Mann sah 3 adulte Wildhunde während der Regenzeit (April bis Juni), ebenfalls bei Kitau. Er wollte sich ihnen nähern, worauf sie wegliefen. Er berichtete auch schon oft auf dem Festland grössere Rudel gesehen zu haben, an der Strasse die von Malindi nach Mkowe führt. Ein Mann, der am Strand von Manda einige Häuser gebaut hat und viel auf der Insel unterwegs ist (er hat einen Traktor), hatte häufig Gruppen von ca. 10 Tieren zu sehen, und nicht nur während der Regenzeit. Dann gab es noch 3 Fischer, die im Kanal Langusten fangen und meist am Strand von Manda in einem Zelt leben, auch sie hatten die Wildhunde in der Regenzeit gesehen und wieder in Ras Kitau, in Strandnähe. Alle Befragten konnten ausserdem von vielen Dik-Diks (die kleinste Antilope, ca. 5 kg), Wildschweinen, Kaffernbüffeln und einem jungen, männlichen Löwen berichten. Die kleinen Gazellen und Wildschweine könnten ausreichend Beute für ein Rudel Wildhunde sein. Das ein Löwe gesichtet wurde, war aber eher ungewöhnlich und deshalb die Sensation für die Leute. Er schlich nachts auf der Suche nach Wasser um die kleinen Siedlungen.
Der Turtle Trust, eine NGO, die sich auf Lamu und Manda zum Schutz der Meeresschildkröten engagiert, berichtet von Wildhunden, die Schildkröten Eier aus dem Nest fressen, jedoch ist nicht klar, ob es sich um verwilderte Haushunde oder Afrikanische Wildhunde handelt. Ich habe noch nie von dieser Futterspezialität der Wildhunde gehört, aber bei der hohen Anpassungsfähigkeit der Tiere würde es mich nicht wundern, wenn sie sich bei Gelegenheit an einem der Nester den Bauch füllen. Es gibt 3 Arten von Schildkröten und der Turtle Trust arbeitet mit den Einheimischen zusammen, macht Aufklärungsarbeit und lässt sie teilhaben: So bekommt jeder Fischer, der eine Schildkröte zum Kennzeichnen bringt oder ein Nest findet, eine Prämie gezahlt. Die Einstellung zu den Wildtieren ist positiv, weil man versteht, das durch deren Schutz Geld in die Gemeinde kommen kann. Das Einbinden der ansässigen Bevölkerung in den Artenschutz ist unerlässlich, wenn es um darum geht die einmalige Fauna und Flora der Inseln zu erhalten. Aufgrund unserer Interviews auf Manda sind wir sicher, dass es zumindest während der Regenzeit von April bis Juni dort Wildhunde gibt, vielleicht sogar das ganze Jahr über. Sie scheinen vom Festland aus die Insel regelmäßig zu besuchen , vielleicht deshalb, weil es hier kaum Konkurrenz durch andere Raubtiere, vor allem durch Löwen gibt. Löwen sind die Feinde, die der Afrikanische Wildhund am meisten fürchtet, da diese die Hunde-Welpen töten, wann immer sie ihrer habhaft werden. Löwen sind aber, wie alle Katzen, eher wasserscheu und werden selten auf der Insel Manda gesehen. Der einzelne junge männliche Löwe an Weihnachten 2005 war eher eine Ausnahme. Die Abwesenheit von Löwen allerdings würde aus Manda eine perfekten Platz machen, um junge Wildhunde aufzuziehen, deren Würfe in der Regenzeit stattfinden. Außerdem halten die Einheimischen wenig Haushunde, welche Krankheiten wie Tollwut und Staupe auf die Wildhunde übertragen würden. Allerdings gibt es bis jetzt noch keinen Nachweiß über irgendwelche Brutaktivitäten Afrikanischer Wildhunde auf der Insel, weitere Nachforschungen sind notwendig. So könnte es sich herausstellen, das Manda´ s Wildhunde uns Gelegenheit geben, mehr über die Ökologie dieser Spezies zu lernen und wie wir einen der meist bedrohten Kaniden Afrikas besser schützen können.
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